Die islamische Transparenzfrage

Die islamische Transparenzfrage

GASTKOMMENTAR: Die islamische Transparenzfrage


Die muslimischen Vereine, Moscheen und Organisationen in Österreich leisten viel Arbeit im Dienst ihrer Gemeinden. Der Umgang mit der Gesellschaft ist allerdings häufig von Ambivalenz zwischen Offenheit und Verborgenheit geprägt.

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Ehrlichkeit wird über alle Religionen und Weltanschauungen hinweg als ein Grundwert gepriesen, der nicht nur für Individuen, sondern auch in den Gemeinschaften und Organisationen gelten sollte. Der Islam ist seit 1912 in Österreich gesetzlich anerkannt, gesellschaftlich wird er jedoch immer noch oft als “fremd” angesehen. Der Geist des neuen Islamgesetzes aus dem Jahr 2015 zielte auf Selbständigkeit und Selbstverantwortung der MuslimInnen in Österreich. Vier Jahre später gibt es aber kaum eine Entwicklung in diese Richtung.

Ein großes Hindernis für einen Islam des Hier und Jetzt ist, dass manche muslimischen Vereine und Organisationen ihre ideologischen oder politischen Ziele nicht offen vertreten, was die eigene Gemeinde und die Gesellschaft täuscht. Ein solches Fehlverhalten seitens Organisationen mit einem “islamischen” Selbstverständnis ist unverantwortlich. Fehlende Transparenz hilft den Muslimen nicht dabei, dass sie an den Herausforderungen der Moderne wachsen und ihre Vereine zu einem zukunftsfähigen Teil Österreichs werden.

Bei der Beantwortung der Transparenzfrage hinsichtlich Ideologie und politischer Ziele – notwendige Bedingung einer sachlichen Debatte um den Islam in Europa und speziell in Österreich – sehe ich hierfür drei Wege:

Folgt eine Organisation einer politischen Ideologie, soll sie dies offen kundtun – inklusive der Strukturen und Ziele. Dadurch ergibt sich der Vorteil der Transparenz. Ansichten können in einer offenen Gesellschaft zur Diskussion gestellt werden – eine Schuldigkeit gegenüber der Gemeinde und der Gesellschaft, was durch die öffentliche Verantwortung die Einnahme einer Opferrolle und einen verschwörungstheoretischen Modus verhindert.

Folgt die Organisation hingegen keinen solchen politisch-ideologischen Zielen, dann ist stark und kommunikativ klar jeder Beschuldigung entgegenzutreten, um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen und den gesellschaftlichen Frieden zu fördern.

Leugnet jedoch die Organisation weltanschauliche oder politische Ziele, ohne sich nach innen hin von ihnen zu lösen, und wirbt vielleicht sogar versteckt dafür, dann ist das intransparent und auch gefährlich – denn die Religionsgemeinschaft wird dadurch zukunftsunfähig.

Leider wird nicht selten der dritte Weg präferiert. Aufgrund meiner Erfahrung in den verschiedenen Gemeinden habe ich trotz allem die feste Überzeugung, dass die muslimischen Organisationen Österreichs gesellschaftlich sehr produktiv und nützlich sein können, wenn sie den Willen und den Mut dazu haben. Aus Liebe zu Österreich und zum Islam plädiere ich für mehr Transparenz im muslimischen Gemeindeleben. Die weitaus meisten Muslime äußern nämlich klar, dass ihre Moscheen und Gemeinden ideologiefrei sein und stark für die europäischen Werte stehen sollen.